Die alte Festung steht einsam im Meer. Sie ist nicht beeindruckend, nicht in ihrer Größe, nicht in ihrer Ausstattung, eine Renovierung hat sie lange nicht erlebt. Über eine kurze Brücke lässt sie sich erreichen, die einsame Festung Sidons, und schnell ist sie durchschritten. Dennoch, auf unscheinbare Weise dominiert sie das Bild der Stadt wie kein Gebäude neben ihr. Sie ignoriert ganz einfach ihre Fehler und blickt über das Mittelmeer im Vollbesitz ihres alt ererbten Stolzes. Ein bisschen wie der Libanon.
Sidon liegt zwischen Beirut und Tyros, wie sie auch eine alte Hafenstadt. Ihr arabischer Name ist Saida, was soviel wie „Stadt der Fischer“ bedeutet. Sie ist heute kleiner als Beirut oder Tyros, auch als Tripolis, zudem fehlt ihr der Eigensinn von Zahle oder Baalbeek. Sie scheint, und das gilt für weite Teile der Geschichte, ihr Schicksal in einer Übergangsfunktion zu suchen. So ist die Festung einstmals von den Kreuzrittern als Landeplatz für ihre Eroberungen im Heiligen Land gebaut worden, und Alexander der Große nutzte sie ebenso für seine Angriffe auf Tyros. Das Europa hier entführt und auf den neuen Kontinent getragen wurde, was durchaus möglich ist, scheint mir ein adäquater Mythos für die Stadt.
Hinter der alten Festung, hinter einer scheinbar unendlich langen Uferpromenade, gespickt mit Restaurants, kleinen Fischerhäfen und langen, weißen Stränden, erstreckt sich der Souk. Wer schon einmal einen arabischen Souk gesehen hat, kann sich in etwa vorstellen, wie es hier aussieht. Wer noch keinen gesehen hat, sollte das dringend nachholen. Er ist wie immer voll mit Menschen, Lauten und Gerüchen, nicht immer schön, aber immer übervoll mit einer Vielfalt, welche in Europa schwer zu finden ist. Hier findet sich auch ein türkisches Badehaus von 1720, aus der Glanzzeit des Osmanischen Reiches, welches heute als Kulturraum dient und derzeit eine Ausstellung von Bildern von dem Bad und Sidon zeigt, vielleicht die schönste im gesamten Libanon derzeit.
Zuletzt, ich war schon auf dem Weg zum Bus, traf ich noch einen alten Mann, ein Seefahrer, der die gesamte Welt bereiste und nun sein Leben in einem kleinen Café direkt am Meer genießt. Günstig sei es hier, der Besitzer ist ein alter Freund und die Shisha gut. Etwas Gemütlichkeit nach einer langen Reise.