Der Ort der Entscheidung

Während der Libanon weiterhin mit seinen multiplen Krisen zu kämpfen hat und die politische Ordnung der Landes vollkommen unklar bleibt, zeigt sich immer mehr, dass dem libanesischen Militär wohl die wichtigste Aufgabe zukommt in den nächsten Monaten. Als einer der wenigen und vielleicht einzigen Institution, welche über alle Grenzen des Glaubens und der Herkunft hinweg in dem kleinen Land ein hohes Ansehen genießt und zudem noch viele Menschen aus diesen unterschiedlichen Milieus zusammenbringt, wird es von zentralen Bedeutung sein, um die Stabilität der Zedernrepublik auch weiterhin gewährleisten zu können.

Als sich das libanesische Militär 1975 in verschiedene Gruppierungen zerteilte, welche sich jeweils aus einer der vielen Konfessionen des Landes rekrutierte, war dies der Startpunkt für den Bürgerkrieg, welcher das Land noch 15 Jahre lang heimsuchen sollte. Deshalb wurde nach Ende des Krieges auch ein Fokus gelegt auf den Aufbau eines neuen nationalen Militärs, welches Mitglieder aller Konfessionen in sich aufnahm. Seitdem war es der Garant für die Stabilität im Land, da es die inneren Spannungen immer wieder im Zaum halten konnte. Diese Aufgabe wird angesichts der wirtschaftlichen Implosion des Landes immer anspruchsvoller, dabei steht es selbst derzeit unter starkem Druck.

Die horrende Inflation im Land, die inzwischen bei über 150% in etwa 1 ½ Jahren liegt, hat auch die Mitarbeiter des Militärs und deren Familien hart getroffen. So ist der Gegenwert ihres Lohnes in Dollar in diesem Zeitraum von etwa 800$ auf unter 80$ gefallen. Immer mehr Soldaten verlassen die Streitkräfte, die Disziplin wird dazu immer schlechter, viele suchen sich auch Nebenjobs. Die große Angst von vielen besteht in der Möglichkeit, dass diese ausgebildeten Militärs anfangen könnten, für einen anderen, der sie besser bezahlt als der Staat, zu kämpfen. Und diese Angst herrscht nicht nur in Beirut, sondern auch in vielen anderen Hauptstädten der Welt.

Finanzielle Hilfe erhält das Militär bereits seit Jahren, allen voran aus den USA, welche es vor allem als ein Gegengewicht verstehen zu Hisbollah, aber auch zu anderen Staaten wie Syrien oder Russland. Frankreich, die traditionelle Schutzmacht des Landes, wird morgen, am Donnerstag, eine internationale Geberkonferenz abhalten, zusammen mit Italien und der UN, auf welcher Geld gesammelt werden soll für die Streitkräfte, um diese so zu stabilisieren. Darunter sind auch internationale Großmächte wie Russland, China oder Großbritannien.

Sollte das Militär nicht weiterhin gestützt werden, dürfte die staatliche Ordnung nicht mehr lange aufrecht zu erhalten sein. Das Ergebnis könnte eine tiefer gehende Spaltung des Landes sein, eine Phase tiefer Stagnation, vielleicht auch eine starke Einflussnahme durch ausländische Mächte oder ein landesweiter Bandenkrieg mit wechselnden Brandherden. Fest steht, dass alle diese Optionen deutlich schlechter sind als eine Aufrechterhaltung der libanesischen Sicherheitskräfte und deren militärischer Stärke. Hier wird der entscheidende Kampf stattfinden um die Zukunft des Libanon.

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