Libanesisches Tagebuch

Die vergangenen Tage waren, selbst für libanesische Verhältnisse, äußerst unruhig, und derzeit sieht es eher danach aus, als ob das Chaos in Zukunft noch zunehmen wird. Doch der Reihe nach.

Am Samstag, den 27. Juni, hat die lokale Währung einen erneuten Tiefstand im Verhältnis zum US-Dollar erreicht. Zwischenzeitlich wurde die Libanesische Lira auf dem Schwarzmarkt zu einem Wechselkurs von 18.000 LL. zu einem Dollar gehandelt, was einen Anstieg von etwa 12,5% innerhalb von drei Tagen bedeutet. Zudem hat sich die Energiekrise in dem Land weiter zugespitzt, Elektrizität wird in weiten Teilen des Landes nur noch wenige Stunden am Tag zur Verfügung gestellt, und auch die Generatoren geraten an ihr Limit angesichts, und das ist der zweite Abschnitt dieser Energiekrise, der immer größer werdenden Knappheit an Treibstoff im Land. Mitunter sind Tankstellen bereits am Abend vollgestellt mit Autos, um so am Morgen schnell an Benzin zu gelangen. Abgesehen davon sind die Preise für Treibstoff in den letzten Tagen in die Höhe geschossen, da die Regierung ihn nicht mehr zu den selben Raten subventioniert wie zuvor.

Insbesondere in der nördlichen Stadt Tripolis, der zweitgrößten des Landes und notorischer Unruheherd, ist die Situation seit Tagen angespannt. In den östlichen Stadtvierteln von Tabbaneh, eines der ärmsten Gebiete des Landes, ist es zu einer Reihe von Auseinandersetzungen zwischen Protestanten und dem Militär gekommen. Zwischenzeitlich liefen sogar mit Maschinengewehren bewaffnete Zivilisten durch die Straßen und schossen in die Luft, um so ihren Unmut über die immer schwierigeren ökonomischen und sozialen Bedingungen zu zeigen. Verletzte hat es dabei scheinbar nicht gegeben. Zudem wurden mehrere Straßen in der Stadt blockiert, mittlerweile nutzen die Protestler sogar Zementblöcke, welche sie mithilfe von Kränen auf die Straße hieven.

Die zweite Protesthochburg des Landes befindet sich in Saida, südlich von Beirut und bereits im Herrschaftsgebiet der Hizbollah. Auch hier wurden mehrere Straßensperren errichtet, zudem wurde ein Taxifahrer schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht, nachdem ein Fahrgast in mit einem Messer attackierte. Vorfälle dieser Art finden derzeit auffällig häufig statt in einem Land, welches normalerweise nicht für eine hohe Kriminalitätsrate bekannt ist.

Einige Versuche, diesem Chaos etwas entgegenzusetzen, hat es in den vergangenen Tagen jedoch auch gegeben. So hat die türkische Firma Karpowership angekündigt, mittels seiner beiden mobilen Kraftwerke, welche an der Küste des Libanon liegen, ab heute wieder Elektrizität zur Verfügung zu stellen. Dies hatte die Firma zwischenzeitlich aufgrund von ausbleibenden Zahlungen und anschließenden juristischen Anschuldigungen seitens der libanesischen Regierung eingestellt, sieht die Wiederinbetriebnahme daher auch als „Zeichen des guten Willens“. Inwiefern hier auch politische Vorgaben aus Ankara mit eingespielt haben, lässt sich nur vermuten, hat doch Erdogan den libanesischen Premierminister Saad Hariri erst vergangenen Samstag in Istanbul empfangen.

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