Wo die weltlichen Mächte versagen, wendet man sich an höhere Kräfte, wie dies gestern im Vatikan geschehen ist.
Auf Einladung von Papst Franziskus haben ein Dutzend christlicher Würdenträger aus dem Libanon für die Zukunft des Landes gebetet, dass die Krise gelöst werden möge und bald eine neue Regierung ihre Arbeit aufnehmen könne. Der Papst hat zudem in Aussicht gestellt, im Falle einer erfolgreichen Regierungsbildung den Libanon zu besuchen, womöglich schon Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres. Für viele eine äußerst optimistische Aussage.
Nach seiner Reise in den Irak im März ist dies zudem ein weiteres Zeichen seiner Bemühungen, das Christentum in seinen Ursprungsregionen zu stärken und zu schützen. So bezeichnete er den Libanon als ein „Bollwerk“ der Christenheit im Nahen Osten und sieht das mögliche Abgleiten der Zedernrepublik ins Chaos als eine weitere Bedrohung für seine Glaubensbrüder an.
Ungeachtet der verständlichen Aussagen über die allgemeine Situation im Nahen Osten, im Kontext des Libanons sind religiöse Treffen solcher Art immer eine zwiespältige Angelegenheit. Eine Rhetorik, welche die Christen in dem Land als „Bollwerk“ bezeichnet, spielt dem Sektarismus in die Hände, der politischen Praxis, die Bevölkerung anhand ihrer religiösen Zugehörigkeit zu definieren und die Politik danach auszurichten. Es ist genau diese Vorgehensweise, welche im Libanon bereits zu so vielen Kämpfen geführt hat und welche nun, insbesondere seit der Revolution von 2019, von immer mehr Menschen im Land als Grundübel der Gesellschaft angesehen wird.
Bei alledem sollte immerhin nicht vergessen werden, dass die momentane Schieflage des Landes nicht durch den Kampf zwischen den Religionen, sondern, im Gegenteil, durch die Zusammenarbeit der politischen Führer der einzelnen Konfessionen ausgelöst wurde, welche seit dem Ende des Krieges gemeinsam die Bevölkerung und den Staat ausbeuten.