Im Libanon war das Land selbst nie der zentrale Fokalpunkt. Die Konfessionen, die fremden Mächte, das Geld, die eigene Familie, alles war, alles ist noch immer von größerer Bedeutung als die Existenz der Staates. Das Land ist eine Illusion, und es braucht kreative Menschen, um diese Illusion am Leben zu erhalten.
Ein Land entsteht
„Ich habe Algerien in der Geschichte gesucht, ich konnte es nicht finden“. Dieser Ausspruch, dessen Urheber ich leider nicht mehr weiß, hätte einen ähnlichen Satz wohl auch über den Libanon sagen können. Wo war dieses Land in der Vergangenheit? Wann gab es je zuvor, vor der Einrichtung der Zedernrepublik durch die Franzosen, einen Staat in diesem Raum?
Das Land sollte, nach dem Willen der Franzosen, den Christen einen Staat beschaffen im muslimisch geprägten Nahen Osten. Dafür entfernten sie es von Syrien, der größten Gegend der Levante. Viele sahen das auch als einen Fehler an, war doch Damaskus die dominante Metropole in der Region und der Libanon nur ein Rumpfstaat ohne jegliche strategische Tiefe. So bleibt dem Land heute auch nichts anderes übrig, als sich auf den Handel, die Finanzen, den Schmuggel und die Gastwirtschaft zu konzentrieren. Ohne jedes ökonomische Rückgrad ist der Libanon gezwungen, sich auf seine alten Fähigkeiten als Handelsvolk am Mittelmeer zu besinnen.
Auch die Idee, den Staat als christliches Refugium einzurichten, hat nur bedingt funktioniert. Mittlerweile sind die Christen numerisch in der Unterzahl, und es ist abzusehen, dass die politischen Posten, welche derzeit noch zwischen Christen und Muslimen verteilt werden (wenn auch mit bestimmten Posten für Mitglieder bestimmter Konfessionen), bald gleichmäßig zwischen den drei Gruppen Christen, Sunniten und Schiiten aufgeteilt werden.
Letztlich wird es gewaltiger Anstrengungen bedürfen, um das Land in Zukunft einigen zu können, und wie lange das noch gelingen wird, ist derzeit nicht zu sagen.