Saad Hariri hat gestern seinen Rücktritt vom Posten des designierten Ministerpräsidenten des Libanon bekannt gegeben. Vorausgegangen war dem ein Gespräch mit Präsident Michel Aoun. Hariri sagt, er habe diesem einen weiteren Vorschlag für ein neues Kabinett mit unabhängigen Technokraten vorgelegt, Aoun habe jedoch abgelehnt. Damit hat das Land nun weder eine Regierung, noch einen Ministerpräsidenten. Hariri hat keinen Nachfolger für seinen Posten vorgeschlagen.
In den nun knapp 24 Stunden seit Bekanntgabe des Rücktritts ist die libanesische Währung von 19.400 auf jetzt über 22.000 Lira pro US-Dollar abgestürzt. Auch wenn es im Land vereinzelte Proteste gab, blieb die Lage insgesamt doch übersichtlich. Die Bevölkerung scheint sich mit dem immer weiter fortschreitenden Absturz ihres Landes arrangiert zu haben. So ist auch nicht zu erwarten, dass die Proteste in naher Zukunft noch einmal sehr viel stärker werden. Eine Ausnahme werden wohl die Tage rund um den 4. August darstellen, an welchem sich die Explosion im Hafen von Beirut zum ersten mal jährt.
Gerüchte machen jetzt die Runde, in welchen über die Gründe für Hariris Rücktritt spekuliert wird. Seit Monaten hatte dieser immer wieder öffentlich mit diesem Schritt kokettiert, ihn bis gestern jedoch stets vermieden. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf das Verhalten von Saudi Arabien geworfen. Deren Kronprinz und starker Mann der Stunde, Mohammed bin Salman, hatte Hariri 2017 bei einem Staatsbesuch in Riad in einem Hotel gefangen gehalten, offenbar, um seinen Rücktritt zu erzwingen, was jedoch misslang. In dieser Woche nun fand ein Treffen statt zwischen den französischen und amerikanischen Botschaftern in Beirut und Unterhändlern aus Saudi Arabien. Ein Vertreter des libanesischen Staates war dabei nicht anwesend, obwohl in den Gesprächen über „die Zukunft des Landes diskutiert“ wurde. Dies wurde weithin als Zeichen der schwindenden Souveränität des Libanons gedeutet, und der gestrige Rücktritt von Hariri verstärkt noch diesen Eindruck.
Macron wiederum hat heute angekündigt, am 4. August eine Konferenz abhalten zu wollen, um mit internationalen Partnern nach einer Lösung für das Land zu suchen. Dies ist bereits die zweite Konferenz dieser Art, welche er organisieren möchte. Frankreich, als alte Kolonialmacht und selbsternannte Schutzmacht der Christen in dem Land, hat in den letzten zwölf Monaten eine besondere Rolle eingenommen bei der Gestaltung der zukünftigen Zedernrepublik. Die Erfolge bleiben dabei überschaubar. Statt einer neuen Regierung oder auch nur irgend einer Form von Aussicht auf Besserung fällt das Land nur immer tiefer, ohne dass der Boden jetzt zu sehen wäre.
So, wie die Probleme des Landes aus dem Inneren heraus entstanden sind, werden sie von außerhalb gelöst werden müssen. Aus dem Land selbst ist keine Kraft mehr zu erkennen, welche in der Lage wäre, das Rad noch umzudrehen.