Als Montesquieu 1721 seinen Briefroman Persische Briefe veröffentlichte, war die Aufregung groß.
Ein Buch, in welchem zwei Perser, Usbek und Rica, durch Europa reisen und ihren Briefpartnern mitteilen, was sie erleben und beobachten. Darunter auch die Missstände, unter welchen die Bewohner dieser Landstriche zu leiden hatten. Die klugen Betrachtungen trafen dabei einen Nerv in der Gesellschaft, und Montesquieu, welcher Jahre später die Gewaltenteilung ausformulierte, legte hier den Grundstein seiner Popularität.
Könnte ein solches Buch auch heute noch Erfolge feiern?
Anlass dafür gibt es unbedingt. Die Coronakrise hat dem alten Kontinent endgültig gezeigt, dass er nicht mehr das Zentrum der Welt darstellt. Andere Gesellschaften, insbesondere Ostasiens, sind mittlerweile besser in der Lage, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern. Was würde ein Besucher aus Japan wohl davon halten, dass unsere Gesundheitssysteme nicht vorbereitet waren auf die Pandemie? Ein Südkoreaner, dass wir nach wenigen Wochen nicht mehr wussten, wer sich wie und wann mit dem Virus angesteckt hat? Ein Bewohner Singapurs, wenn er von Faxgeräten in Gesundheitsämtern hörte?
Auch Vietnam, für viele Europäer noch ein Inbegriff für Dschungelkämpfe und stumpfen Kommunismus, wird wohl einer der Gewinner aus der Krise sein. Mit strengen, aber klugen Maßnahmen konnten sie das Virus weitgehend eindämmen und die Todeszahlen im zweistelligen Bereich halten. Zudem konnten sie, als einer der wenigen Staaten dieser Welt, ihre Wirtschaft wachsen lassen.
Das Land, gestern noch das Armenhaus Ostasiens, ist heute eine florierende Gesellschaft.
Und morgen schon könnten sie uns Briefe schreiben.