Die Verunsicherung der arabischen Nationen

Während der Nahe Osten heute neu geordnet wird, haben die arabischen Nationen nur einen relativ kleinen Anteil daran. Doch wie kann das sein? Warum schaffen sie es nicht, eine regionale Führungsmacht aufzubauen, welche mit der Türkei und dem Iran konkurrieren kann? Dazu macht es Sinn, in zwei Teilen auf die einzelnen Nationen des arabischen Volkes zu blicken und sich ihre Lage vor Augen zu führen.

Ein Königshaus sucht eine Zukunft

Einer der ersten Kandidaten, welcher einem zu einer arabischen Macht in den Sinn kommt, ist Saudi-Arabien. Das Land verfügt über einen ungeheuren Reichtum durch das Ölgeschäft und konnte den meisten seiner Bewohner damit ein angenehmes Leben ermöglichen. Dieses Modell allerdings bewegt sich auf ein Ende zu, und das Land muss nach neuen Wegen suchen, in der Zukunft Wohlstand und Stabilität zu erhalten.

Gegründet wurde das Land 1932, nachdem die Dynastie der Saud in mehreren Kriegen große Teile der arabischen Halbinsel erobert hatten. Zuvor war sie dafür ein Bündnis eingegangen mit den Wahhabiten, einer zutiefst konservativen Strömung innerhalb des Islams. Bis heute besteht der Kern des Landes aus diesem Bündnis. Bereits kurz nach der Gründung des Landes begann die Förderung von Erdöl, wodurch die Wirtschaft errichtet werden konnte, kann also gewissermaßen als drittes Glied der saudischen Kette angesehen werden. Als elementar erwies sich auch die enge Bindung an die Vereinigten Staaten von Amerika, ein Aspekt, welcher in dem Land von Mekka und Medina große Kontroversen hervorgerufen hat. So kam es 1979 zu einer Besetzung der Großen Moschee von Mekka durch islamische Gotteskrieger, und auch an den Anschlägen vom 11. September 2001 waren Saudis federführend beteiligt.

Heute sind diese Säulen stärker unter Druck als je zuvor. Allein die Tatsache, dass ein Land auf dem Bündnis einer einzelnen Familie mit einer relativ obskuren Sekte fundiert, lässt eine gewisse Instabilität erwarten. Dazu kommt der Rückgang des Ölgeschäfts. In einigen Jahrzehnten wird er kaum noch eine dominante Rolle spielen können in der saudischen Wirtschaft. Ob das Land es schaffen wird, diesen Umbruch einigermaßen erfolgreich durchzuführen, wird maßgeblich über die Überlebensfähigkeit des Staates mit entscheiden. Zu allem Überfluss ist nun auch in den USA, dem mit Abstand wichtigsten Verbündeten des Königshauses, eine zunehmende Entfremdung zu beobachten. Ob die Demokraten in den folgenden Jahrzehnten noch ein Unterstützer des Regimes bleiben, ist momentan nicht zu erwarten. Diese inhärenten Schwächen, gepaart mit den schwierigen Entwicklungen außerhalb des Landes und einer relativ kleinen Bevölkerungszahl, lassen keine Führungsrolle Riads als wahrscheinlich gelten.

Die alte Macht stagniert

Rein von den Rahmenbedingungen betrachtet stellt Ägypten für gewöhnlich den größten Anwärter dar auf die Position der Führungsmacht im Nahen Osten. Mit vermutlich über 100 Millionen Einwohner und seinem nach wie vor großen Bevölkerungswachstum stellt es das demographische Zentrum der arabischen Welt wie des gesamten Nahen Ostens dar. Als eine Wiege der menschlichen Zivilisation hat es bereits vor Jahrtausenden große Städte und mächtige Reiche erschaffen, unter den Fatimiden und den Ayyubiden und teilweise auch noch unter den Mamluken war Kairo das Machtzentrum der islamischen Welt. Zudem verfügt es mit der Azhar-Universität über das angesehenste Institut für islamische Studien der Welt, auch wenn ihr Ruf heute etwas angekratzt ist. Auch von Bedeutung ist der Umstand, dass Ägypten zusammen mit Marokko das einzige Land der arabischen Welt ist, welches auf eine lange Geschichte als eigener Staat zurückgreifen kann und diese auch mit Stolz betrachtet.

Dennoch scheint Ägypten heute nicht in der Lage zu sein, wieder eine hervorgehobene Stellung einzunehmen. Nachdem Nasser noch der Vorreiter der arabisch-nationalistischen Bewegung der 50er- und 60er- Jahre des vergangenen Jahrhunderts war, konnte das Land nach dem Friedensschluss mit Israel, für viele Araber und Muslime der Erzfeind, keine Begeisterung im Ausland oder Inland mehr entfachen. Unter Mubarak wurde 30 Jahre lang technokratisch regiert. Seit dessen Absetzung wird die tiefe Spaltung deutlich, welche innerhalb der ägyptischen Gesellschaft herrscht. Bei den Wahlen von 2011 wurde der Muslimbruder Mursi zum Präsidenten gewählt, wobei seine Partei 45% der Stimmen erhielt. Noch radikalere Islamisten erhielten etwa 25%. Das mächtige Militär konnte dies nicht zulassen und putschte 2013 gegen Mursi, wobei der General al-Sisi neuer Präsident wurde.

Unter al-Sisi wird das Land heute restriktiver regiert als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt der vergangenen Jahrzehnte. Die mangelnde Fähigkeit, den Sinai vernünftig unter Kontrolle zu bringen, sowie der Krieg in Libyen lassen das sicherheitspolitische Umfeld gefährlich wirken. Dazu wird es in absehbarer Zeit noch größere Auseinandersetzungen geben um das Wasser des Nils, welcher im Sudan und in Äthiopien massiv zur Landwirtschaft verwendet wird. Auch die Wirtschaft ist schwach entwickelt, wobei es hier in letzter Zeit Fortschritte gegeben hat. Und es werden auch weitere Fortschritte auf diesem Feld nötig sein, wenn das Land wieder ein wichtiger Akteur werden möchte. Die neue Hauptstadt Ägyptens, welche östlich von Kairo im Moment errichtet wird, soll dabei Modernität ausstrahlen und wird zudem ein Symbol darstellen für die Hinwendung in Richtung Osten und insbesondere China, welches beim Bau der neuen Metropole maßgeblich beteiligt ist. Sollte dieses neue Konzept aufgehen, wird das Land auch seine strategische Lage als Kreuzweg zwischen Mittelmeer und Atlantik sowie Asien und Afrika ausspielen können. Bis dahin ist es jedoch noch ein sehr weiter Weg, und derzeit muss man skeptisch bleiben, ob er auch gelingen kann.

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