Hybride Kriegsführung

In den vergangenen Jahren wurde im Westen der Begriff des „Hybriden Krieges“ häufig bemüht, um auf die neuen Gefahren hinzuweisen, welche in der Welt des 21. Jahrhunderts vorhanden sind. Worum es sich dabei genau handelt bleibt aber oft im Unklaren, und häufig beschreibt es nicht viel mehr als die Zunahme an schädlichen Maßnahmen gegenüber diesen Staaten.Wie also sollte umgegangen werden mit diesem vermeintlich neuem Phänomen?

Die Beziehungen zwischen dem Königreich Marokko und den Staaten der Europäischen Union sind angespannt. Da hilft es zur Entspannung der Lage auch nicht, dass innerhalb von nur 24 Stunden im Mai dieses Jahres etwa 10.000 Menschen die marokkanische Grenze zu Ceuta, einer spanischen Exklave auf dem afrikanischen Festland, überschritten hatten und nun spanisches Territorium bedrehten wollten, wenn auch nicht den Schengen-Raum, von welchem Ceuta ausgenommen ist. Damit war die Regierung in Rabat in der Lage, Druck auszuüben auf die Regierung in Madrid und damit auch auf jene in Berlin und in Paris. Hintergrund der aktuellen Eskalation ist die medizinische Behandlung von Brahim Ghali in Spanien, einem der Anführer der POLISARIO, einer Guerillagruppe, welche gegen die marokkanische Besatzung der Westsahara kämpft. Es sind diese Formen von semi-militärischer Auseinandersetzungen, welche dem Westen derzeit so stark zu schaffen machen. Ob der Ukraine-Konflikt, der IS, die Nutzung von Migranten als Druckmittel oder die allgegenwärtigen Cyberattacken, sie alle sind Teil des sogenannten hybriden Krieges.

Der Begriff an sich deutet bereits die Vermischung von verschiedenen Elementen an, welche nun in scheinbar koordinierter Weise zum Einsatz gebracht werden, um einen Gegner zu schwächen. Doch warum wird diese Gefahr derzeit mit einer solchen Aufmerksamkeit bedacht? Dafür ließen sich mehrere Gründe anführen. So gibt es zum Beispiel eine Reihe von Problemen, welche in dieser Form vor einigen Jahren noch nicht vorhanden oder schlichtweg nicht möglich waren. Das offensichtlichste Beispiel hierfür ist das Internet. Die Bedeutung dieser Technologie ist historisch betrachtet noch ein neues Phänomen und zeichnet sich nach wie vor durch ein hohes Maß an Unsicherheiten aus. Dabei ist insbesondere das Verhältnis vom Angreifer zum Verteidiger zu nennen. Während unsere klassische Ansicht davon ausgeht, dass ein militärischer Angriff sehr teuer und für den Angreifer selbst mit erheblichen Risiken verbunden ist, so bei der langwierigen Belagerung einer Festung oder den Risiken bei einem Feldzug gegen eine fremde Nation. Hier jedoch ist die Situation eine gänzlich andere. Der Angreifer muss weder hohe Kosten noch persönliche Konsequenzen fürchten, wenn sein Staat ihn zu diesem Angriff einsetzt oder ihm freie Hand lässt bei seinen Operationen. Und auch für den Staat selbst bietet dieser Vorgehen die Möglichkeit, die negativen Auswirkungen auf ein Minimum zu reduzieren. Eben weil Cyberattacken keine militärische Aktion im eigentlichen Sinne, nämlich mit menschlichen Opfern, darstellt, sind die getroffenen Länder tendenziell sehr zurückhaltend in ihren Gegenreaktionen. Dadurch wird eine Eskalation vermieden und der Gegner kann weiterhin geschwächt werden.

Für Europa ist das relativ neue Phänomen der unkontrollierten Massenmigration ein mittlerweile gängiges Mittel von Ländern wir der Türkei, Libyen oder eben Marokko, um ihre Position zu stärken. Auch die Bedrohungen durch Terroristen, grundsätzlich kein neues Phänomen, werden inzwischen als deutlich größer angesehen als zuvor, auch wenn sich das durch Zahlen in den meisten europäischen Staaten nicht ablesen lässt. Jedoch konnten verschiedene Terrororganisationen, insbesondere der Islamisten, in den Regionen um Europa einen erheblichen Machtzuwachs verzeichnen, eine Entwicklung, auch welche die europäischen Staaten bis heute keine adäquate Strategie entwickeln konnten. Die US-geführten Kriege im Irak und in Afghanistan, aber auch der Libanon-Krieg 2006 zwischen Israel und der Hizbollah sowie die zunehmende Anarchie in der Sahel-Zone zeigen, wie schwierig ein Kampf gegen einen solchen Gegner ist. Da man sie nur sehr schwer vollständig besiegen kann, können sie wiederum immer neue Angriffe starten, was die Moral der Truppen zerstören kann.

Ein zentraler Aspekt dieser Kriegsführung scheint mir der Umstand zu sein, dass vieles dabei im Verborgenen gehalten wird, es sich primär also um eine „verdeckte Kriegsführung“ handelt. So wird permanent versucht, Zweifel an der wahren Urheberschaft einer Operation zu erwecken, was eine Gegenreaktion natürlich erschwert. Das bekannteste Beispiel einer solchen Vorgehensweise stellt wohl das russische Agieren bei dem Konflikt um die Krim und die Ostukraine dar. Moskau hat immer wieder Beschuldigungen seitens des Westens von sich gewiesen, nur um sie zu einem späteren Zeitpunkt schließlich zu bestätigen. Auch Russlands Rolle bei den Kämpfen in der Ostukraine und innerhalb der dortigen Kriegsparteien ist schwer zu bestimmen. Andererseits gibt es mittlerweile auch eine gewissermaßen spiegelverkehrte Variante dieser Taktik. Dabei werden bei Angriffen, deren Urheber unklar sind, bestimmte Akteure ohne jegliche Beweise oder nur Indizien dafür verantwortlich gemacht, wodurch die Situation noch einmal verkompliziert wird.

Zusammenfassend lässt sich wohl die Erkenntnis ziehen, dass der Begriff der hybriden Kriegsführung vor allem ein engen Verständnis des Krieges vor der Einführung des Wortes zeigt. Dass bei einer Auseinandersetzung verschiedene Formen der Einflussnahme und Attacken verwendet werden, ist nichts ungewöhnliches und schon gar nichts neues. Jedoch werden neue Techniken benutzt, und aus Sicht der westlichen Nationen ist es vor allem die Intensität, welche neue Ausmaße angenommen hat. Die eigene Schwäche wird ihnen so bewusster als zuvor. Insbesondere die viele Unklarheiten in Bezug auf die Urheberschaft bestimmter Angriffe kann für eine unangenehme Verunsicherung führen und auf Dauer eine Belastung für eine Gesellschaft und die Sicherheit eines Landes darstellen.

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