Der Bab el-Mandeb

Ein Großteil des internationalen Warenverkehrs wird über Schiffe abgewickelt. Dies geht für gewöhnlich deutlich schneller und günstiger vonstatten als über den Landweg. Die See jedoch ist nicht an allen Stellen so weitläufig wie auf dem offenen Ozean. Immer wieder gibt es Meerengen, welche täglich von einer großen Zahl an Schiffen durchfahren werden und damit eine ungeheure Wirkung auf den internationalen Handel haben. Und eine der wichtigsten dieser Straßen ist der Bab el-Mandeb, das “Tor der Tränen”.

Der Bab el-Mandeb ist eine etwa 150 Kilometer lange, an einigen Stellen lediglich 29 Kilometer breite Wasserstraße, welche den Indischen Ozean mit dem Roten Meer und damit, über den Suez Kanal, mit dem Mittelmeer verbindet. Etwa 40% des europäisch-asiatischen Handels wird über diesen Angelpunkt abgewickelt, ist mit etwa 6,2 Millionen Barrel an Ölprodukten, welche diese Straße täglich passieren, zudem der drittgrößte Durchgangspunkt für den Öltransport, nach der Straße von Hormuz am perischen Golf und der Malakkastraße in Südostasien. Insgesamt spart ein modernes Schiff etwa acht bis neun Tage an Fahrzeit über diesen Weg, die einzige Alternative besteht nämlich in der Route über das Kap der Guten Hoffnung in Südafrika und damit in der Umrundung des gesamten afrikanischen Kontinents.

All dies macht den Bab el-Mandeb zu solch einem wichtigen Logistikdrehkreuz. Damit einhergehend sind allerdings auch enorme Risiken verbunden. Die mehrtägige Blockade des Suezkanals, welcher direkt mit dem Bab el-Mandeb verknüpft ist, hat im Frühjahr dem ohnehin schon angeschlagenen internationalen Handel einen weiteren, heftigen Dämpfer verpasst. Damit rückt auch diese Wasserstraße wieder in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Denn so wichtig diese Region für die Weltwirtschaft auch ist, so ist sie ebenso instabil wie gefährlich.

Dies liegt zunächst einmal an den direkten Nachbarstaaten dieser Wasserstraße, den Jemen und Dschibuti. Im Jemen herrscht seit 2015 ein katastrophaler Bürgerkrieg, welcher das Land in eine der schlimmsten Gegenden der Welt verwandelt hat.

Neben den innenpolitischen Fraktionen sind es vor allem Saudi-Arabien, der Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate sowie diverse Dschihadistengruppen, welche von außen in den Krieg eingreifen. Dabei waren die von den mit dem Iran verbündeten Angriffe der Houthis die größte Gefahr für den Handel in dem Gebiet. Die Sorge vor einer iranischen Hegemonie über die entscheidenden Küstenregionen hat vor allem in den USA und Israel Befürchtungen ausgelöst. Auch wenn eine solche Konstellation mittlerweile unwahrscheinlich ist, wird die Lage vor Ort genau beobachtet. Eine Stabilisierung des Landes oder gar ein wirtschaftlicher Aufschwung ist derzeit nicht in Sicht, würde die Sicherheit auf dem Bab el-Mandeb jedoch erheblich vergrößern.

Der Anrainerstaat auf der afrikanischen Seite hingegen, das kleine Dschibuti, ist seit Jahren als stabiler Anker in einer ansonsten chaotischen Region bekannt und versucht, seine strategische Lage gut zu nutzen. Dazu zählen unter anderem eine große Zahl an ausländischen Militär- bzw. Marinestützpunkten, welche das Land zu einem neuen Hotspot der internationalen Geopolitik gemacht haben. Zudem verfolgt es den ehrgeizigen Plan, in den nächsten Jahren zum “Singapur Afrikas” aufzusteigen, wovon es allerdings noch weit entfernt ist.

Lange Zeit war zudem die Piraterie die größte Gefahr für den Handel auf dieser Route, insbesondere durch die ständigen Überfälle Seitens somalischer Piraten. Dies konnte mittlerweile jedoch unter Kontrolle gebracht werden durch einen internationalen Einsatz mehrerer Staaten, nachdem 2011 ein Höchststand erreicht worden ist. Aufgrund der ansgespannten Situationen in den Staaten der Region ist ein Wiederaufflammen umfangreicher Piraterie jedoch nicht auszuschließen, weshalb Marineeinheiten heute in der Gegend patroullieren.

All diese Umstände haben dazu geführt, dass heute fast alle großen und mittelgroßen Mächte der Welt in dieser Region aktiv sind und ihre Stellung stärken möchten. Die wichtigsten dieser Mächte sind natürlich die USA und China, welche beide ihren Einfluss in den vergangenen Jahren ausgebaut haben. Und auch wenn die Rivalität zwischen beiden Ländern bald zu einem globalen Wettkampf ausarten dürfte, ist die Situation am Bab el-Mandeb derzeit noch anders gelagert. Für die USA ist die Aufrechterhaltung der liberalen Weltordnung auf den Weltmeeren eine der wichtigsten, wenn auch häufig unterschätzten Säulen ihrer Weltmachtstellung. China hingegen möchte, neben einer Hegemoniestellung im östlichen Asien und westlichen Pazifik, vor allem seine Handelswege schützen, wobei jene nach Europa zu den wichtigsten zählt.

Im Südchinesischen Meer führt dies dazu, dass beide Länder in eine Rivalität geraten sind, da China dieses Gebiet als ihren natürlichen Einflussbereich betrachtet, während die USA den offenen Handel auf dem Meer und damit auch ihre eigene Vormachtstellung schützen wollen. Am Bab el-Mandeb sind ihre interessen jedoch sehr ähnlich. Da das Gebiet für China zu weit entfernt liegt, um hier eigene Ansprüche geltend zu machen, beschränkt es sich darauf, einen Fuß in der Tür zu haben und die Sicherheit der Wasserstraße zu gewährleisten. Dies gilt ebenso für die USA, welche den maritimen Handel aufgrund ihrer eigenen Weltmachtstellung zu schützen haben. Diese Konstellation dürfte in den nächsten Jahren der wichtigste Stabilisator für den Handel über den Bab el-Mandeb darstellen.

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