Während alle Welt auf die Ukraine starrt und sich fragt, was wohl als nächstes passieren möge, ist der Kreml auch außerhalb des schwachen Nachbarlandes aktiv. Eines der interessantesten Kapitel dürfte dabei das Verhältnis zwischen Russland und dem Iran darstellen, zwei der großen Mächte des Eurasischen Kontinents, welche ihre seit jeher komplizierten Beziehungen neu ausbalancieren möchten.
Betrachtet man das Verhältnis zwischen beiden Staaten aus einer Makroperspektive, scheinen die gemeinsamen Interessen deutlich die Konflikte zu überwiegen. Eint doch beide Länder ihr kompliziertes Verhältnis zu den USA, im Falls des Irans durchaus als offene Feindschaft zu bezeichnen. Sollte Russland, wie dem Iran bereits geschehen, vom internationalen SWIFT-System ausgeschlossen werden, wären diese Gemeinsamkeiten sogar noch erstaunlicher. Vom Westen im Stich gelassen, wie es die Politker der beiden Staaten häufig sehen, suchen sie ihr Glück in den Weiten des Eurasischen Doppelkontinents, im Handel mit China und dem Aufbau eines neuen Wirtschaftssystems, welches vom westlichen, US-dominierten Markt zumindest größtenteils abgekoppelt ist.
Neben dieser Rivalität mit dem Westen sind in den letzten Jahren noch eine Reihe weiterer gemeinsamer Bedrohungen hinzugekommen. Da wäre zum einen der militante Extremismus einiger Sunniten, welche in Zentralasien nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan neuen Aufwind erhalten könnten. In diesem Bereich kann man bereits auf gemeinsame Erfahrungen in Syrien zurückgreifen. Aber auch die Türkei, immerhin NATO-Mitglied, und deren Ausgreifen auf den Kaukasus, jüngst durch den Krieg in Bergkarabach und die geplante Einrichtung des Zangezur-Korridors, und die zentralasiatischen Republiken sorgen sowohl in Teheran als auch in Moskau für Besorgnis.
Bei all dieser Übereinstimmung sollte jedoch nicht vergessen werden, dass neben diesen Kooperationen auch Rivalitätem zwischen beiden Ländern vorhanden sind. Dies betrifft zum einen Syrien, wo die Schwäche des Assad-Regimes die beiden Großmächte auf den Plan gerufen hat, als auch den Kaukasus, wo insbesondere Aserbaidschan einen wichtigen Baustein für das regionale Gefüge darstellt. Auffällig ist zudem die Tatsache, dass Russland seine begehrten S-400 Flugabwehrraketen bisher nicht an den Iran verkauft hat, hingegen an Indien, China, Weißrussland und sogar die Türkei. Berichten zufolge konnte Teheran Waffenlieferungen in der Vergangenheit nicht immer wie vereinbart bezahlen, weshalb Moskau hier wohl vorsichtiger agiert.
Auch in wirtschaftlicher Hinsicht kann in keinster Weise von besonderen Beziehungen gesprochen werden, beträgt das jährliche Handelsvolumen doch nicht mehr als 3,5 Mrd. US-Dollar, nur ein Zehntel des russisch-amerikanischen Handels. Daneben gibt es noch die ausgewachsene Rivalität auf dem Global Ölmarkt, welcher für beide eine essentielle Einnahmequelle darstellt.
Im Zuge der weiteren Machtverschiebung von der atlantischen Welt hin zum Eurasischen Kontinent wird das Verhältnis zwischen Moskau und Teheran zu einer zentralen Frage für die politische Ordnung Westasiens.
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